Vernehmlassung Humanforschung zu Verfassungsartikel und Gesetzesentwurf (Humanforschungsgesetz HFG) -> siehe Grundlagen 1. Grundsätzliches zum Verfassungsartikel und zum HFG Allgemeine Einschätzung Wir begrüssen das Anliegen, die Rechtssituation in der Schweiz in Bezug auf Forschungsprojekte, die mit Menschen arbeiten, zu vereinheitlichen. Ebenso begrüssen wir, dass dem Bund dabei mehr Kompetenzen zukommen sollen als bisher. Nach eingehendem Studium sowohl des Verfassungsartikel-Entwurfs als auch der dazugehörigen Erläuterungen sind wir jedoch zur Überzeugung gelangt, dass diese in der vorgeschlagenen Form unter keinen Umständen in Kraft treten dürfen. Fassungslos stehen wir vor der
Tatsache, dass das Bundesamt für Gesundheit offensichtlich die Menschenrechte
und die Menschenwürde auf die gleiche Stufe stellt wie die Forschungsfreiheit!
Die
Menschenwürde wird so behandelt, als ob sie ein in Widerspruch zu
andern Rechten tretendes Gut wäre, bei dem man mit Güterabwägung
zu einem für alle Interessen tragbaren Kompromiss gelangen könne.
Die im Verfassungsartikel-Entwurf vertretene und im Entwurf für ein
HFG wieder erscheinende Auffassung widerspricht
Im Folgenden nun unsere Kritik im
Einzelnen:
Verräterische Formulierungen Absatz 1 des vorgeschlagenen Artikels 118a lautet: Der Bund erlässt Vorschriften über die Forschung am Menschen im Gesundheitsbereich. Er sorgt dabei unter Beachtung der Forschungsfreiheit für den Schutz der Menschenwürde und der Persönlichkeit. (Hervorhebungen durch das KSM) Die Beachtung der Forschungsfreiheit gehört nicht in diesen ersten Absatz. Der Zweck des Verfassungsartikels muss der Schutz der Menschenwürde und der Persönlichkeit sein. Steht die Forschungsfreiheit wie in obiger Formulierung im ersten Absatz, dann können wir dies nur so verstehen, dass das BAG eigentlich ein Forschungsförderungsgesetz machen wollte, möglichst unter Umgehung schon bestehender Menschenrechtsverträge. Die Forschungsfreiheit ist jedoch bereits durch Artikel 20 „Wissenschaftsfreiheit“ in der Bundesverfassung verankert. In Absatz 2 Buchstabe c steht: Niemand darf zur Teilnahme an einem Forschungsprojekt gezwungen werden. Vorbehalten bleiben Forschungsprojekte mit urteilsunfähigen Personen, die eine Verbesserung ihrer Gesundheit erwarten lassen. (Hervorhebungen durch das KSM) Vom Prinzip, dass niemand dazu gezwungen
werden darf, an einem Forschungsprojekt teilzunehmen, darf nicht abgerückt
werden, denn das bedeutete eine Zulassung der Verletzung der Menschenwürde.
Kann jemand nicht einwilligen (weil er dazu zum Beispiel aus gesundheitlichen
Gründen nicht in der Lage ist), dann dürfen keine Forschungen,
sondern höchstens ethisch geprüfte Heilversuche oder Therapien
zugunsten der Patientin bzw. des Patienten durchgeführt werden. Die
Menschenwürde des betroffenen Menschen ist in jedem Fall höher
zu gewichten als das Interesse einer Forschungsgruppe, zu Daten zu kommen!
Hierzu möchten wir festhalten, dass der Respekt vor dem Menschen und der Schutz der Menschenwürde immer absolute Priorität haben muss und selber im Laufe der Geschichte wiederholt ausserordentlich in Gefahr war und noch ist!! Niemand bestreitet, dass in der Vergangenheit
kirchliche oder andere Dogmen der Wissenschaftsfreiheit philosophisch und
politisch nicht haltbare Grenzen gesetzt haben. Hier liegt aber ein völlig
anderer Fall vor: Die Achtung der Menschenwürde bedeutet nicht, dass
Denkverbote gesetzt werden. Sie bedeutet bloss, dass niemand gezwungen
werden darf, an Forschungsexperimenten teilzunehmen. Die Qualität
der Forschungsergebnisse im Hinblick auf die Verbesserung der Gesundheit
der Menschen hängt nicht davon ab, ob es erlaubt ist, Menschen gegen
ihren Willen zu Forschungsobjekten zu machen, da schätzt das BAG die
Bedeutung der Forschung offensichtlich völlig falsch ein. Aber selbst
wenn es so wäre, dass Ergebnisse aus Zwangsforschungen für gewisse
Menschen sehr nützlich wären: Für einen solchen Gewinn ist
es niemals erlaubt, die Menschenwürde zu verletzen!
Vergleich mit internationalen Übereinkommen, insbesondere mit der „Biomedizin-Konvention“ des Europarates Auf Seite 27-30 der Erläuterungen zum geplanten Verfassungsartikel 118a ziehen die Autor/inn/en den Vergleich mit der EMRK und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966 (UNO-Pakt II). Unserer Ansicht nach ist die Einschätzung des BAG, der vorliegende Verfassungsentwurf stimme sowohl mit der EMRK als auch mit dem UNO-Pakt II überein, falsch. Denn Zwangsversuche sind im vorgeschlagenen Art. 118a gerade nicht vollständig ausgeschlossen! Nur falls der entsprechende Absatz gestrichen wird, kann von einer Übereinstimmung gesprochen werden. Auch zur „Biomedizin-Konvention“ des Europarates gibt es Unterschiede, wie im erläuternden Bericht richtigerweise festgehalten ist. Das Komitee zum Schutz der Menschenwürde war 1996 federführend in der Kritik an der Biomedizin-Konvention des Europarates (damals noch Bioethik-Konvention genannt), u.a., weil „fremdnützige“ Forschung an Einwilligungsunfähigen erlaubt werden sollte. Nun stehen wir vor der paradoxen Situation, dass das inzwischen leicht nachgebesserte Werk des Europarates (am 7.Mai 1999 von der Schweiz unterzeichnet) eine bessere Grundlage zum Schutz verletzbarer Menschen darstellt als der vorgeschlagene Verfassungsartikel der Schweizer Behörden!! Auch wenn wir die Biomedizin-Konvention nach wie vor kritisieren, müssen wir doch festhalten, dass sie in einem entscheidenden Punkt weniger schlimm ist als der Verfassungsartikel 118a. Denn: In der Biomedizin-Konvention ist nicht vorgesehen, dass mit urteilsunfähigen (=einwilligungsunfähigen) Menschen geforscht werden darf, wenn diese sich dagegen wehren. Hingegen sieht das BAG im Absatz 2 Buchstabe c des Verfassungsentwurfs ausdrücklich vor, dass das Gesetz Forschung mit urteilsunfähigen Personen auch gegen ihren Willen erlauben kann, wenn davon ein direkter Nutzen für die Gesundheit dieser Personen erwartet wird. Das ist ein Skandal. Wir möchten deutlich hervorheben: Die Forschung ist für den Menschen da und nicht umgekehrt! Was heisst „wenn ein Nutzen für die Gesundheit dieser Person erwartet wird“? Falls es sich um echte Forschung handelt, dann ist es ebensogut möglich, dass die Person gesundheitliche Schäden aus dem Zwangsversuch davonträgt, wie Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit beweisen! Wüsste man schon um die neutrale oder positive Wirkung des Eingriffs, müsste man ja keine Forschung mehr machen. Wir sind definitiv der Auffassung, dass bei Einwilligungsunfähigen, wenn noch keine etablierte Therapie zur Verfügung steht, nur ethisch geprüfte Heilversuche, aber keine Forschungsprojekte, zulässig sind. Vielleicht wollten die Bundesbehörden
provozieren? Vielleicht geht es darum, die Biomedizin-Konvention elegant
durchzubringen unter „Androhung“ eines noch viel schlimmeren schweizerischen
Verfassungsartikels?
2. Anregungen für eine Überarbeitung von Verfassungsartikel und Gesetz Grundsätzlich sind wir der Auffassung,
dass der vorgelegte Entwurf zurückgenommen werden sollte. Ein Neuanfang
würde der Sache am besten dienen.
Begriffsklärungen 1. Personenbegriff
2. Urteilsunfähige; Forschung
ohne direkten Nutzen
3. Hirntote
4. Forschungsdefinition
Änderungsanträge Verfassungsartikel 118a Wir verweisen auf die Änderungsanträge unserer Mitgliedorganisation „Basler Appell gegen Gentechnologie“, welche wir voll und ganz unterstützen. Antrag Art. 118a Abs. 1:
Antrag Art. 118a Abs. 2 Bst. a
1.:
Antrag Art. 118a Abs. 2 Bst. a
2.:
Antrag Art. 118a Abs. 2 Bst. b:
Bei der Ausgestaltung von Art. 118a Abs. 2 Bst. c ist darauf zu achten, dass Zwangsforschung ausnahmslos ausgeschlossen bleibt. Es ist mit der Unverletzlichkeit der Person und der Menschenwürde nicht vereinbar, einen Menschen zur Teilnahme an einem Forschungsprojekt zu zwingen. In allen Vereinbarungen und Erlassen
ist die Willenskundgebung der betroffenen Person zu beachten. Diese Willensbekundung
kann verbal oder durch andere Reaktionen erfolgen. Eine Ablehnung ist in
jedem Fall zu beachten.
Änderungsanträge zum Humanforschungsgesetz HFG Antrag Art. 1:
Die Anträge des Basler Appells gegen Gentechnologie zum HFG werden auch vom Komitee zum Schutz der Menschenwürde unterstützt. Besonders hervorheben möchten wir den Antrag zu den Ethikkommissionen: Antrag Art. 68 Abs. 1:
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